Klettern in Ehrwald

Die Entwicklung des Bergsteigens und Kletterns in Ehrwald


Die genauen Anfänge des Bergsteigerwesens in Ehrwald können leider nicht mehr im Detail nachvollzogen werden. Zu ungenau sind die heute noch erhältlichen Daten und Aufzeichnungen. Im Jahre 1820 war das Bergsteigen und Klettern eine nicht alltägliche Angelegenheit und trotzdem war dies ein historischer Tag für unsere Gegend. 

Die Herren Naus, Deuschl und Maier bestiegen in einem wahrlich abenteuerlichen Unternehmen die Zugspitze vom Platt aus. Damals, ohne die Unterstützung der Seilbahnen, ein recht großes Unterfangen. Erste genauere Daten über Routen und Besteigungen finden wir ab dem Jahre 1896 wo im III-ten Schwierigkeitsgrad der Schneefernerkopf von A. Fuchs und Gefährten erklommen wurde. 1899 „fiel“ dann das kleine Sonnenspitzl. Über den damaligen Normalweg im III-ten Grad. Heute hat sich im Anstieg der Nordwestanstieg über das „Appelers Wändle“ im V-ten Grad als Normalweg eingebürgert. Anfang 19-tes Jahrhundert wurden die Besteigungen länger und schwieriger. 

Die Gebr. Haff, zwei Ingenieure aus Pfronten, erstbesteigen die „Wetterkante“. Eine Route mit 900 Klettermetern und bis zum V-ten Klettergrad. Diese Kante "stach" den Brüdern schon lange ins Auge, da man sie an schönen Tagen von Pfronten aus sehen kann.

Ab diesem Zeitpunkt, bis zum Jahre 1926, gelangen Wilhelm „Willo“ Welzenbach wahrlich meisterliche Erstbesteigungen in der gesamten Westwand. Nordwestgrat, Westwand, Südwand und Mittlere Wetterspitzen. Alles Routen zwischen 800m und 1000m und bis zum V-ten Schwierigkeitsgrad. Die technischen Hilfsmittel beschränkten sich immer noch auf Holzkeile, Eisenhaken, Hanfseile und Wollbekleidung. Im Anschluss folgten Jahre in alpinistischer Vergessenheit. Krieg, schlechte Zeiten, die Menschen hatten andere Sorgen als auf Berge zu steigen.

Ein wichtiges Jahr im Ehrwalder Bergsteigerwesen war 1962, wo Arnold Larcher, einer der ersten Ehrwalder Bergführer, neben Emmerich Papp, Hansjörg Spielmann und einigen mehr, den Wetterstoaner Weg und andere alpine Routen in unserenumliegendenWänden erst begingen. Der Wetterstoanerweg, eine Route am Kaiserkopf, oberhalb der Wr. Neustädterhütte, war eine der ersten Routen im VI-ten Grad und ist auch heute noch die „Prüfungstour“ zur Aufnahme in die ÖAV Hochgebirgsgrupper  „Wetterstoaner“. Mit Arnold Larcher und seinen Gefährten, alle aus den Reihen der Wetterstoaner, kam neues Leben in das Bergsteigerwesen rund um Ehrwald.

 

Die Zeiten wurden besser, die Berge rund um Ehrwald wurden wieder entdeckt und es wurden wieder waghalsige Routen durch die Wände geklettert. Die Holzerwand und die Westwandführe verfestigten den VI-ten Grad in unseren Wänden. Arnold Larcher setzte in der Holzerwand den bei uns ersten, dokumentarisch belegten Bohrhaken. Er konnte es damals nicht wissen….eine Entwicklung die nicht mehr aufzuhalten war. 1980 bis 1983 gab es eine Reihe von Erstbesteigungen. Der NNW Pfeiler (V+), Arnold-Larcher-Gedächtnisweg, in Gedenken an den nun schon tödlich verunglückten Arnold Larcher und der Westwandpfeiler. Diese Begehungen kamen auf das Konto von Wolfgang Fuchs, K.H. Schennach, Chr. und P. Spielmann, Günter Kerber, Hannes Somweber und Richard Bader.

Im Klettern war zu dieser Zeit, auch in Ehrwald, ein neues Zeitalter angebrochen. Ein neuer Typ Kletterer war geboren. Importiert aus Amerika, kamen neue Ideale, Idole und Schwierigkeitsgrade zu uns. Deutlich zu sehen an den „neuen“ Routen, die erschlossen und begangen wurde. Im Bereich der Wr. Neustädter Hütte fing es an. Am Kaiserkopf und Popcorn-Pfeiler wurden Routen wie, Wolkenreise (VII) und Weg der Freundschaft (VII+) geklettert. K.H. Schennach, Herbert Kapferer, Christoph Scheiber, Riccardo Cremaschi, Christian Spielmann und Andreas Geyeregger waren die Vorreiter. Dies war auch der Zeitpunkt wo sich die Art der Routenerschließung erheblich änderte. Im Vordergrund stand nicht mehr das erreichen eines Gipfels, sondern das Durchsteigen einer Wand oder eines Wandteils in immer größerer Schwierigkeit und möglichst guter Felsqualität.

Mit Beginn 1990 wurden auch die „kurzen“ Wände rund um Ehrwald erschlossen. Josef Hainel „Sani“ begann mit der Erschließung des linken Teils der Plattspitzen Südwände. Es erfolgte 1995 die Erschließung des rechten Teils durch Mayr Wolfgang und seine Allgäuer Freunde und somit befanden sich an die 50 Routen bis zum VIII-ten Grad in diesem Bereich. Da der Anmarsch ein wichtiger Faktor ist, wurden ab 1996 immer mehr Klettergärten eingebohrt. Der „Hanger“ ist unser Trainingszentrum im sportlichen Felsklettern. Christian Winklmaier, Stefan Schennach und Karlheinz Grübler richteten Routen bis zum X-ten Grad ein. Somit hat auch das Klettern in höchsten Leistungsbereichen bei uns Einzug gehalten.

Pat Schwarzmann bohrte im Jahr 2000, Stefan Schennach, Karlheinz Grübler und Christan Winkelmaier 2002, fünf neue Sportkletterrouten (VI-IX) im Bereich der Seebenwände ein. Ebenso entstanden 16 neue, alpine Routen an der Silberwand am Wampeter Schrofen. Erschlossen wieder durch unsere Allgäuer Kollegen.

2004 wurde mit Unterstützung des Hüttenwirts der Wr. Neustädter Hütte ein Klettergarten im Bereich des Stopselziehers mit rund 20 Routen (4 bis IX) durch Karlheinz Grübler eingerichtet, sowie die meisten Routen am Kaiserkopf durch Stefan Schennach und Karlheinz Grübler saniert.

2005 blieb natürlich die Entwicklung des Klettersports in Ehrwald nicht stehen und angetrieben von einer Handvoll Personen entstanden immer mehr Routen und Klettermöglichkeiten. In zwei Sommer 2005 begannen Karlheinz Grübler und Peter Spielmann die damals erste, mit Bohrhaken abgesicherte, lange Route durch die Wetterstein Westwand einzurichten. „Zwischen den Toren“, 27 Seillängen, mit einer schwierigen Schlusswand bis Grad VII. Die Arbeiten waren im Sommer 2006 abgeschlossen und auch die erste Rotpunktbegehung ging auf das Konto der Beiden. Gefolgt von den zwei jungen Wörz-Brüdern aus Biberwier.

 

Die ÖAV Sektion Ehrwald feierte 2006 sein 50-jähriges Jubiläum, was der eigentliche Auslöser für diese Chronologie war. In diesem Jahr folgten Schlag auf Schlag neue Routen und Projekte. Stefan Schennach und Andreas Wilhelm errichteten „Rauschendes Wasser“, ebenfalls in der Wetterstein Westwand. Stefan Blochum mit Kollegen eröffnete an der Sonnenspitz Westwand mit den Routen „Invasionia“ und „Schattendasein“ zwei ganz neue Linien im klassischen Stil. Stände mit Bohrhaken, ansonsten so viel wie möglich mit Keilen und Friends abzusichern.

Der Klettergarten an der alten 4-er Stütze wird durch Stefan Schennach und Karlheinz Grübler, in absoluter alpiner Umgebung, hoch über dem Tal, eingerichtet.

 

An der Grünstein Nordwand eröffnet Christoph Hainz, ein in Bergsteigerkreise sehr bekannter, wenn nicht gar berühmter Alpinist, in Zusammenarbeit mit Thomas Engel, die Route „Carpe Diem“. Eine rassige

Sportkletterei über 8 Seillängen bis 6c+. Somit war ein aufregendes Kletterjahr vorbei und übergangslos ging es 2007 so weiter. 

Stefan Schennach wurde weiter angezogen von der Grünstein Nordwand und sanierte zusammen mit Christian Spielmann die alte, klassische Route „Drachenpfeiler“. Dem war noch nicht genug und gleich darauf hin bohrte er die „Stürmischen Zeiten“ ein, welche Christian Winkelmaier Rotpunkt beging. Christian Winkelmaier selbst war auch noch an der Holzerwand tätig und suchte nach neuen Linien durch die Wand, die er auch fand!

2008 entwickelte sich dann als schwieriges Jahr. Die Routen schossen nur so aus dem Boden und immer mehr „Auswärtige“ kamen mit Bohrmaschinen im Rucksack und versuchten sich am Routen einrichten. Karlheinz Grübler versuchte diese Entwicklung mit Absprachen, Regeln und entsprechender Kommunikation zur Zusammenarbeit in geregelte Bahnen zu leiten, was aber aufgrund der individualistischen Einstellung der Kletterer scheiterte und die Stimmung zwischen den Lokals und den Externen sehr dämpfte.

Es ging sogar soweit, dass die Auswärtigen ihre Routen im Geheimen und Stillen einzurichten begannen. Eine Aussage war, "Wir lassen uns nicht die guten Projekte von euch wegschnappen!" Leider eine lächerliche und traurige Entwicklung, die der Entwicklung des Gebietes sicherlich nicht dienlich war. 


Markus Noichl, ein junger Bursch aus dem Allgäu, der sich davon nicht beeindrucken ließ, begann erst mit Peter Schwarzmann, dann mit Kollegen wie, Wolfi Mayr, Bernt Prause, etc. die bis jetzt längste, mit Bohrhaken abgesicherte Route, namens „Therapie“, durch die Wetterstein Südwand zu bohren. 32 Seillängen bis zum VIII Grad. Eine ganz tolle Leistung. 

Wieder zog es im Sommer 2009 Christoph Hainz und Thomas Engel zur Grünstein Nordwand und es entstand „Elea Acta Sunt“. Eine Sportkletterroute im selben Stil wie Carpe Diem. So neben bei richteten die beiden noch einen Klettergarten „Collosseo“ in der Nähe der Coburger Hütte ein.

 

Das Einrichten und Erschließen der Routen geht 2010 immer rascher voran. Es geschah nicht mehr im Stillen für ein paar Individualisten, sondern für eine breite Masse, mit wesentlich mehr Aufmerksamkeit und Trubel. Das Kletterangebot wurde massiv in diversen Führern und Internetseiten vom Tourismus publiziert und beworben und es entwickelte sich langsam aber sicher ein neues touristisches Angebot mit deutlich mehr Zulauf.


Mittlerweile erkannten auch die verbohrtesten Erschließer, dass eine Regelung des Toureneinrichtens immer wichtiger sein würde. Der ÖAV Ehrwald unternahm, noch einmal auf Anregung von Karlheinz Grübler hin, einen erneuten Vorstoß die gesamte Entwicklung in geregelte Bahnen zu lenken. Unter der Führung von Peter Spielmann, Obmann der ÖAV Sektion Ehrwald und der Unterstützung von Karlheinz Grübler, seines Zeichens Obmann Stellvertreter der ÖAV Sektion Ehrwald, war es nun endlich möglich eine Einigung mit den externen Erschließern und mit der Tiroler Zugspitz Arena abzuschließen. 


Eine Regelung, wobei die ÖAV Sektion Ehrwald in Zukunft die gesamte organisatorische und rechtliche Verantwortung und der Tourismus die finanzielle Verantwortung und Vermarktung des Klettergebiets Ehrwald übernehmen werden. Ein geplantes Einrichten und Erhalten des Gebiets soll nun unser gemeinsames, erklärtes Ziel sein. 

Aber auch das Einrichten von Kletterrouten stand nicht still in dieser turbulenten Zeit. Stefan Schennach erschloss eine klassische Neutour am kleinen Sonnenspitze „Esperanto (VI-)“ und Karlheinz Grübler eine 4 Seillängen lange Sportkletterroute „Viva Espania (VIII)“ an der Immenplatte im Bereich der Seebenseewände.Pat Schwarzmann war fleißig an den Plattspitzen im Bereich des Sprengbahnmastens tätig und eröffnete die Routen „Pille Palle“ (VI-)und „Aquaria“ (VII/VIA0) sowie einen Klettergarten mit ca. 20 Routen.

 

2010 startete wieder eine Zeit der langen, alpinen Routen. Unsere Wände wurden von mutigen Alpinisten durchklettert und es wurden einige neue, sehr lange und sehr anspruchsvolle Routen eingerichtet. Eine davon die Route "Via Corona", erstbegangen von Florin Ularu, Cătălin Ghimpu und Andrei Szabo. Die Route führt mitten durch die dominierende Westwand auf den Schneefernerkopf und bietet Kletterei bis zum 6-ten Grad.

Im August 2011 richtet Christoph Hainz und Thomas Engel die Route "Immer in Bewegung" an der Grünstein Nordwand ein. So wie es scheint, haben es Christoph die wilden Nordtiroler Berge angetan und Pünktlich zur 110 Jahre Feier der Coburger Hütte konnte er eine neue, 14 Seillängentour bis Schwierigkeit 8-, fertigstellen.


Mittlerweile ist Christoph Hainz im Bereich der Coburger Hütte der Platzhirsch und hat unser vollstes Vertrauen und Einverständnis beim Einrichten von Routen.

 

Die Tour wurde Heinz Engel gewidmet, welcher durch einen tragischen Unfall aus unserer Mitte gerissen wurde.

Im Juni 2014 richtet Christoph Hainz zusammen mit Wolfgang Tschödrich die Route "Drachentanz" am Vorderen Tajakopf ein. Auf drängen der lokalen Kletterer und des Hüttenwirts "Schranz Friedl" endlich mal eine leichtere Route im 7-ten Schwierigkeitsgrad. Wobei diese schwerere Stelle umgangen werden kann. Dann bewegt man sich maximal bei Schwierigkeitsgrad 6.


Besonders angenehm ist der Zustieg von der Coburger Hütte in ca. 30 Minuten zu bewältigen.

Der Charakter laut Erschließer ist "pure Genusskletterei an vorwiegend festem Fels". Das darf aber auf keinen Falle darüber hinweg täuschen, dass es sich hier um eine alpine Kletterroute mit 25 Seillängen handelt.

Im Februar 2015 erschlossen Michi Wohlleben und Joachim Feger wieder eine neue Tour "Optimist" in der Wetterstein Westwand. Die Tour führt zwischen den Routen "Rauschendes Wasser" und "Via Corona" durch die Westwand auf den Schneefernerkopf.

Die letzten Seillängen verläuft die Route identisch mit der Route "Zwischen den Toren".

 

Wer Michi kennt, kann sich sicher sein, dass es sich hier um ein sehr ernsthaftes Unternehmen handelt, welches nur Spezialisten vorbehalten bleiben soll.

Im Juli folgte dann noch, im Bereich Coburger Hütte, die Route "Take it easy". Wieder eine Route, erschlossen von Christoph Hainz, diesmal mit maximalen Schwierigkeitsgrad 4 UIAA. Endlich geht der lange gehegte Wunsch des Hüttenwirts, nach einer wirklich leichten Genusskletterei, in Erfüllung.